Torso

Das erste Stück, welches ich in meinem Master Studium in Hannover beendet habe, stellte das Saxofonquartett Torso dar, welches ich für das kanadische Saxofonquartett Quasar komponiert habe. Ich habe Quasar schon während meiner Bachelorstudien in Hannover kennengelernt und war mir über deren experimentellen Repertoire bewusst, wie die hohe Energie und Leidenschaft, welche diese aufbringen um Stücke zu erarbeiten. Ich habe mich deshalb auch sehr gefreut, dass ich die Möglichkeit bekommen habe zusammen mit ihnen zu arbeiten und ein Stück zu realisieren. Mir war klar das ich in meinem Saxofonquartett wieder auf den körperlichen Aspekt des Spielen eingehen wollte.

In den ersten Studien zu dem Stück spielten jedoch die Körperlichen Eigenheiten des Saxofons eine größere Rolle. Der Ursprungsgedanke war, eine Art Gleichschaltung für Saxofonquartett zu schreiben. Nach wiederholten Experimenten mit für mich nicht zufriedenstellenden Ergebnis habe ich diese Idee jedoch verworfen und mich auf die Körperlichkeit der Spieler konzentriert.

Der Zentrale Aspekt beim Saxofonspiel ist selbstverständlich das Atmen, wie bei allen anderen Aktivitäten auch. Hier bekommt die Lebensfunktion jedoch ein viel bewusstere Funktion. Das Interesse wurde bei mir geweckt, als ich daran dachte, wie ich das Stück organisieren kann ohne auf Metrische oder geometrische Tempo Strukturen zurückzugreifen, sondern auf Tempo Bezeichnungen relativ zu den konkreten körperlichen Gegebenheiten der Spieler. Daraus ergab sich für mich eine Verkettung von Parametern die sowohl die Phrasen artikulieren als auch verschiedene Zeitebenen kreieren.

Diese verschiedenen Zeit Ebenen, mussten jedoch merkbarer gemacht werden durch das Mittel der Unterscheidung. In diesem Stück studiere ich quasi auch das Prinzip der Hierarchisierung von Stimmen. Die einzelnen Formteile des Stückes werden durch folgende Hierarchisierung charakterisiert: Homophonie, Heterophonie, Polyphonie, Entropie

Mit den jeweiligen Sätzen die geschlossen eines dieser 4 Verhältnisse abbilden.

Material und Einflüsse

Das Hauptmaterial aus dem Stück sind zwei Figuren aus Charles Ives "the unanswererd question". Zu dieser Zeit hatte ich eine kleine Ives Renaissance in der ich sehr viel wieder seine Werke verschlungen haben. The unanswered question schien mir schon immer ein problematisches Werk zu sein. Das es zum einen mit den verschiedenen Tempostrukturen die sich in diesem Stück überlappen ein Vorreiter war, für die Form von Werk wie ich es hier komponiert habe, auf der anderen Art und weiße in seiner Darstellung der Frage und Antwort doch relativ Plakativ ist, weshalb es bei mir immer auch einen bitteren Beigeschmack herbeiführt, was ein Werk von dieser Größe auch sollte.

Ornette Coleman - der wichtigste Einfluss in der Komposition dieses Saxofonquarrtetts


Ein anderer Einfluss kam von einem schon sehr frühen Helden aus meiner Teenager Zeit nämlich Ornette Coleman, dessen Alben wie Free Jazz, The Shape with a hole in the Middle und Science Fiction einen großen Eindruck bei mir, als junger Teenager hinterlassen haben. Sein wichtiges Werk für Streichquartett und Schlagzeug "Prime Design, Time Desgin" übte dabei besonders einen großen Einfluss aus, weil ich Ornette Colemans Harmelodisches Prinzip ,welches sich durch das ganze Stück zieht, wichtig für die Formfindung des Stücks war .

Ornette Coleman - Science Fiction

Ornette Coleman - Prime Design / Time Design

Die Radikalität der erwähnten Werke von Coleman ist auch heute noch zu spüren. John Zorn sagte einmal im Bezug auf ein Album mit Werken von Coleman welche er aufnahm, dass er die Radikalität von Colemans denken in die aktuelle Zeit übertragen wollte und er hat sich dabei auch wirklich alle Ehre gesetzt, jedoch ist die Radikalität zum einem die Performance als auch die Komposition und Meta Element die Ästhetik, welche Coleman Werke auch heute noch Radikal erscheinen lassen.

Konkret lässt sich in meinen Stück die unterschiedlichen Ebenen so beschreiben, dass ich verschiedene Systeme benutze für die Zentralen Parameter in dem Stück. Das Wichtige hierbei ist jedoch das die Parameter nicht wirklich entkoppelt sind von einander, sondern quasi aneinander gebunden auch wenn deren Natur sich einer Verbindung widerstrebt.

Die verschiedenen Systeme sind Tempolinie, Artikulation und Dynamik (als ein Parameter) und Tonhöhe.

Außerhalb des Saxofonquartetts

Das Stück ist für mich quasi konzipiert als Lunge oder Torso einer größeren Werkes über die Tragödie "der gefesselte Prometheus". Ziel war es dabei für mich eine fast schon theatralische Begleitmusik zu schreiben, die probiert den einen ähnlich archaischen und Ritual Charakter zu haben wie die alten griechischen Tragödien ohne dabei jedoch in Exotismus abzudriften oder irgendwelche new Age Interpretationen von Spiritualität oder Universal Consciousness zu liefern. Der Ausdruck sollte ernsthaft sein und nicht gefälscht sondern ganz natürlich. Die verschiedene Hierarchisierungen in dem Stück bieten dahin noch eine weitere Groß Form in der andere Instrumente hinzukommen können und eine Sängerin für die Aufführung des dramatischen Werkes "der gefesselte Prometheus" - für Saxofonquartett, Flöte, Hackbrett, Horn, Harfe, Percussion und Sängerin. Das wichtigste Moment ist, dabei jedoch das Saxofonquartett welches, das Stück konstituiert, da es der Torso bzw. die Lunge, dass atmende Organ des Werkes ist.

Die Erfahrungen aus der Komposition dieses Quartetts beeinflussen auch die Arbeit an einem neuen Saxofonquartett welches ich im Jahr 2021 angefangen habe.