5 Sätze für Streichquartett

Wie geht man mit der Vergangenheit um. Wie entsteht überhaupt Vergangenheit. Vergangenheit bedeutet das wir Ereignisse schon rekapituliert haben und in gewißer Weiße entmystifiziert haben. Dies ist nötig um sich überhaupt mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Schlieslich muss man sich entfernt haben um sich der Vergangenheit zu nähern.

Dies ist eines der Zentralen Fragen meiner 5 Sätze über Beethoven.

Die Idee entstand im Zusammenarbeit mit meinen Freunden Rachel C. Walker, Luis Salgueiro, Jaime Farias Rojas und Ilgin Ülkü für die Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover für das Beethoven Konzert. Unser Professor Ming Tsao schlug zuerst durch den Kontakt mit Markus Becker ein Projekt zu den Diabeli Variationen an, welches wir zu einem Projekt über die Große Fuge geändert haben.

Ziel des Projektes war es Wege zu finden, wie man auf reife Weise sich den Material der Großen Fuge nähern kann.

Was ist Material

Der Ansatz den ich für meine Beethoven beschäftigung verwendet habe, setzt sich sich mit der Spielweise auseinander und vor allem mit den materialität der Instrumente und der Spieler auseinander. Die Handposition vom Cantus Firmus der Großen Fuge sind das Hauptmaterial dieser Sätze. Diese werden absolut über das Griffbrett der Instrumente verteilt, ohne das diese and die neue Position angepasst werden. Die rechte Bogen Hand ist ebenfalls unabhängig von der linken Hand. In Kombination mit metrischen Prozessen auf das Material der Großen Fuge, stellt sich ein verzehrter Verschwommenes Klangbild ein, welches nur noch entfernt an das Ausgangsmaterial erinnert.

Gerhard Richter - Baader Meinhof [Tote 3]

Gerhard Richter - Baader Meinhof [Erhängte]

Die Kräfte die auf die Große Fuge wirken, lassen sich vergleichen mit den Prozessen die Gerhard Richter auf einige seiner Gemälde anwendet um diese unscharf erscheinen zu lassen.

Für mich bestand auch kein so großer Widerstand ein Stück über die Große Fuge zu schreiben, welches sich vor allem auf die Produktion des Klanges konzentriert, da Spieltechnische und Interpretatorische Fragen, die selbstverständlich bei jeder Komposition auftreten, bei der Großen Fuge nicht wirklich auf der technischen Ebene bleiben, sondern gerade zu existenzielle Züge annehmen. Ein beispiel dafür wäre zum Beispiel das Beben in der zweiten Violine.

Form

Die 5 Sätze sind wie folgt angeordnet.

  1. Assai Sostenuto / Allegro

  2. Molto Vivace

  3. Fuga: Allegro Risoluto

  4. Passacaglia

  5. Grave ma non troppo tratto / Allegro

Nostalgie

Mein Verhältniss zur Tradition ist recht komplex, da ich nicht wirklich eine Musikalische Ausbildung durchlaufen habe, bis ich angefangen habe in Hannover im Bachelor Komposition zu studieren. Was ich jedoch schon immer beobachten konnte, ist wie banal und primitiv das Verhältnis zu Tradition bei Menschen ist, die mit dieser Musik quasi aufgewachsen sind, und seit frühster Kindheit eine Musikalische Laufbahn durchlaufen haben. Deren Verhältnis zu den Stück der Geschichte ist meistens durch Nostalgie geprägt. Dem Schielen nach der "der großen Vergangeheit" welcher sich in der Praxis in einen stumpfen Museumcharackter manifestiert.

Gerade bei radikalen Stücken wie der Großen Fuge ist dies eine lustige Erscheinung, da das nicht berühren wollen, oder das Konservieren des Werkes gerade gegen die Radikalität dieser Werke steht. Werke sind immer Veränderungen unterworfen anderen Falls sind sie toter als Leichen, da sie dadurch noch nicht einmal das Recht auf Verwesung haben.

Ein anderes Mißverständniss über das Stück ist, dass es sich nach Schönheit strebt. Dabei ist es gerade eines der Vorzüge des Beethovenschen Spätwerks, dass dies nicht der Fall ist. Die Große Fuge geht an dem Rande der Tonalität und ist in gewisserweise doch das erste moderne Stück. Mit Tonaltät ist hier auch nicht nur die rein Harmonischer Tonalität sondern, auch die Art und Weiße wie Phrasen oder Artikulationen in diesem Stück verlaufen. Die Kadenzierung hängt schief in diesem Stück. Ähnlich wie in dem Schubert op. 100 gibt es hier stellen wo eine versöhnliche Kadenzierung nicht mehr möglich ist, hier sogar noch extremer als im Schubert op. 100. Beethovens Große Fuge, dabei in einer technokratischen fetishisierenden Ansicht von Meistertum reinzustellen verfehlt dabei komplett den Sinn, da gerade Beethovens Spätwerk uns zeigt, dass die vollkommende Beheerschung von Satztechnik nicht erstrebenswert ist sondern, die unsicherheit deutlich interessante Formen produzieren kann. In seinem späten Leben fing Beethoven noch einmal an die Kontrapunkt studieren mit Haydn zu rekapitulieren und neu sich beizubringen, da er diese Früher als jüngerer Student nicht wirklich ernst genommen hat. Dieser Ständige Zweifel an das eigenen Können und das ständig neu lernen ist, dass was Beethovens Werk so besonders reich macht und was vorallem seine Spätstil von seinen jüngeren Jahren unterscheidet.

Meine Arbeit

bestand zum größten Teil darin, einen Formplan zu finden. Wichtiges Element in meiner Arbeit war es sich mit Beethovenschen Satzbezeichnungen zu beschäftigen, die meine Grundlage waren für die Formale Struktur eines Satzes und wie sich die Form konstituiert. Dabei muss natürlich betont werden, dass Satzbezeichnungen bei Beethoven ganz andere Assoziationen hervorruffen als bei mir. Am beispiel des ersten Satzes kann man dies leicht merken, da ich Assai Sostenuto für mich so interpretiert habe, dass ich eine fast schon monophone Textur erzeuge, wo der Klang scheinbar nicht abbricht oder aufhört. Die Instrumente sollen in diesem Satz zu einem Klangkontinuum verschmelzen, nur um in dem darauf Folgenden Allegro in viele Veschiedene Linien zu zersplittern.